ERP


Warum das ERP-System für Food-Betriebe in der Krise noch wichtiger wird

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Schon in "normalen" Zeiten läuft ohne das ERP-System fast nichts in der Lebensmittelindustrie. Aber wird es während einer Krise nicht sogar noch wichtiger? Eine Einschätzung für die Foodbranche in Großbritannien und Irland. 

So heftige Nachfrageschwankungen wie in den letzten Wochen hat es in der britischen und irischen Lebensmittelindustrie noch nie gegeben. Die Auswirkungen waren für viele Betriebe massiv. Was bei den einen für Rekordaufträge sorgte, führte bei anderen zu schweren Umsatzeinbrüchen. Für mich hat die Krise aber auch gezeigt, welchen Stellenwert die richtige ERP-Software hat.

ERP hilft bei der Planung und macht flexibler

Nehmen wir mal das Thema Planung. In meinen fünfzehn Jahren in der Lebensmittelproduktion habe ich da einiges erlebt - ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die meisten Betriebe kurzfristig planen. Denn die Neukalkulation der Rohstoffbedarfe ist normalerweise eine einfache Sache. Jedoch können die Materialvorlaufzeiten, die Auslastung an den Linien und die Verfügbarkeit von Personal die kurzfristige Planung zu einem Geduldsspiel mit vielen wechselseitigen Abhängigkeiten machen. Ein Beispiel: Wenn mehrere Produkte die gleichen Inhaltsstoffe haben und an denselben Linien von denselben Mitarbeitern verarbeitet werden, könnte eine Erhöhung in der Produktion des einen Artikels zu einer Reduzierung der Produktionsmenge bei einem anderen führen. Das kann schlichtweg an der Verfügbarkeit von Maschinen liegen, oder aber daran, dass wesentliche Bestandteile oder Verpackungsmaterialien mit langen Lieferzeiten gerade knapp geworden sind. Eine ERP-Software mit einem integrierten Planungsmodul hilft in dieser Situation, indem es die Produktionsfaktoren Material, Maschine und Personal optimal berücksichtigt - und so die Verlagerung des Produktionsfokus vereinfacht. Wenn das Fertigprodukt länger haltbar ist als der Rohstoff, kann es beispielsweise sinnvoll sein, mehr zu produzieren als angefordert, um dadurch Zeit zu gewinnen. Ihr ERP sollte daher in der Lage sein, die Materialien zu visualisieren, die kurz vor dem Ende ihrer Haltbarkeitszeit stehen. Dann können Sie entscheiden, was Sie machen - produzieren, konservieren oder, falls möglich, direkt verkaufen. Versuchen Sie das mal mit Excel.

Software zwingt zur Einhaltung von Best Practices

Bei uns in England gibt es neben Corona noch eine weitere Herausforderung: den Brexit. Beides zusammen verstärkt den ohnehin schon gravierenden Fachkräftemangel. Viele große Unternehmen werben ganz öffentlich um neue Mitarbeiter. Gerade in der Lebensmittelindustrie hat die Sache aber einen Haken, denn die Einarbeitung neuer Mitarbeiter ist immer mit einem Risiko verbunden. Zum Beispiel neigen unerfahrene Mitarbeiter eher dazu, etablierte Verfahren zu umgehen - und gefährden damit Produktsicherheit und -qualität. Je höher der Anteil von Berufsneulingen im Vergleich zu den erfahrenen Mitarbeitern ist, umso schwieriger wird es, die geltenden Standards aufrechtzuerhalten. Mit der Einbindung einer ERP-Software dagegen lässt sich die Erfassung der Shop-Floor-Daten so eng mit den physischen Produktionsschritten verknüpfen. Ich denke da zum Beispiel an den Arbeiter, der eine Kiste mit Teilstücken füllt und dann direkt die angebrachten Barcodes scannt, um die Artikel zu erfassen. Der Datenerfassungsprozess ist somit zu einem wesentlichen Bestandteil des Produktionsprozesses geworden - und wird nun in Echtzeit einmalig ausgeführt, anstatt die Daten auf einem Stück Papier zu notieren und später einzugeben. 

In einem anderen Szenario könnte die Best Practice darin bestehen, stündlich manuell Temperaturmessungen beim Produkt durchzuführen und aufzuzeichnen - als unabhängige Bestätigung der fortlaufend erfassten Temperaturdaten im Kühlhaus. Der Arbeiter braucht dafür jeweils vielleicht nicht mehr als 30 Sekunden. Aber es liegt in der Natur des Menschen, Arbeiten zu vermeiden, die nicht dem primären Ziel dienen. Und jeder, der aus der Produktion kommt oder einen technischen Hintergrund hat, weiß, wie wichtig es ist, aus dieser eher lästigen Aufgabe eine Gewohnheit zu machen. Zum Beispiel durch Inprozesskontrollen, bei denen im Arbeitsablauf die Temperaturmessung vorgeblendet und der Prozess unterbrochen werden muss, bis die Pflichteingabe der Temperaturdaten erfolgt. 

ERP treibt die Automatisierung voran  

ERP-Systeme sind auch für die Automatisierung ein wichtiger Faktor - und ein großer Effizienztreiber sowieso. Denn ERP-Systeme lassen sich leicht in einer Linie integrieren und können problemlos mit vorhandenen Geräten kommunizieren. "Pick-by-Voice"- und "Pick-by-Vision"-Systeme führen die Mitarbeiter in den richtigen Bereich des Lagers. Lampen und Ziffern an den Regalen signalisieren dabei die genaue Position.

Ebenso ermöglicht die Einführung von Automatisierung und Robotik die Interaktion von Daten- und Warenflüssen. Zahlreiche Fleischbetriebe, wie der CSB-Kunde Promessa, haben bereits zukunftsweisende Standards in der Intralogistik entwickelt, bei denen automatische Hochregallager und Portalroboter für die Ladungszusammenstellung Hand in Hand mit den Mitarbeitern in einem teilautomatisierten Kommissionierungsbereich zusammenarbeiten. All dies wird dirigiert durch das ERP-System: Es teilt den Maschinen mit, was kommissioniert werden soll, leitet die Waren an die richtige Etikettierlinie weiter und weist den Kommissionierer an, welche Produkte in welche Kiste zu packen sind. Zum Schluss stellt das System sicher, dass die Ladung von hinten nach vorne und von oben nach unten bereitgestellt wird, sodass dann die oberste Kiste auf dem zuletzt in das Fahrzeug geladenen Rollwagen als erstes auf der Tour abgeliefert wird. 

Die Optimierung geht über den Betrieb hinaus

Das Schöne an ERP-Systemen ist, dass deren Integration über die Grenzen des Betriebes hinausgehen kann. Mehr noch, je weiter sich die Verbindungen über die gesamte Lieferkette erstrecken, umso größer sind die Möglichkeiten, die Produktion zu verbessern und schneller auf Verbraucherwünsche, Nachfrageschwankungen aufgrund des Wetters oder besonders attraktive Rohstoffpreise am Beschaffungsmarkt zu reagieren - oder eben auch auf die enormen Turbulenzen, verursacht durch eine globale Pandemie.