Duell_PPS-Systeme

ERP


Duell der Produktionsplanung: Gesamtlösung vs. Best of Breed

4 Minuten

Obwohl eine gute Planung bekanntlich die halbe Miete ist, verlassen sich viele Nahrungsmittelbetriebe bei der Produktionsplanung immer noch stark auf ihr Bauchgefühl. Oder sie behelfen sich mit einfachen Lösungen wie Excel und Access. Doch wenn ein Unternehmen wächst oder sich die Produktvielfalt erhöht, wird ein Produktionsplanungssystem (PPS) zu einer notwendigen Grundausstattung. Spätestens dann stellt sich die Frage: Lieber ein in der ERP-Software integriertes System oder doch besser „Best of Breed“?

Das Beste auf dem Markt für jede individuelle Anforderung oder alle Anwendungen von dem Anbieter, der mit seinem ERP-System die beste Gesamtlösung anbietet? Diese Kernfrage der IT-Strategie stellen sich viele Nahrungsmittelbetriebe, wenn es um die Produktionsplanung geht. Beide Philosophien haben ihre Berechtigung, doch welche empfiehlt sich mit Blick auf Funktionsumfang, Benutzerfreundlichkeit, Integration und Kosten? Oder so: Welcher Ansatz gewinnt im Duell der Systeme?

Funktionsumfang: Was brauche ich eigentlich?

Es ist kein Geheimnis: Speziallösungen bieten häufig mehr und umfassendere Funktionalitäten als eine integrierte Lösung. Aber sind das auch automatisch die richtigen Features? Ist es nicht wichtiger, branchenspezifische Funktionalitäten an Bord zu haben als ein Set an Funktionen, die gar nicht genutzt werden können? Diese Überdimensionierung tut zwar zunächst nicht weh, ist ökonomisch aber wenig sinnvoll. Schließlich benötigt man im kalifornischen Sommer auch keine Schneeketten auf den Rädern seines Pick-Ups. Ergo: Viele der Spezialfeatures kann man sich sparen, ein paar wichtige Eigenschaften muss die Software aber auf jeden Fall haben:

  • Killerkriterium ist natürlich die Branchenorientierung der Software. Rezepturen, Stücklisten, Allergene, MHDs: all das muss in der Planung berücksichtigt werden. Entscheidend ist auch ein optimale Materialfluss und eine enge Verzahnung der Produktionsplanung mit Beschaffung, Absatz, Disposition und Lagerverwaltung. Das Stichwort lautet hier: Frische.

  • Die Produktionsvorgaben und die einzelnen Produktionsbereiche müssen nahtlos mit in den Planungsprozess eingebunden werden. Am Ende muss alles auch sicher dokumentiert und rückverfolgbar sein: Betriebsdatenerfassung und PPS müssen also perfekt aufeinander abgestimmt sein.

  • Besonders wichtig ist auch, dass die Software verschiedene Planungshorizonte bietet, etwa langfristige, mittelfristige und kurzfristige Planungsszenarien. Damit lassen sich auch bei volatilem Bestellverhalten und einer großen Einheitenvielfalt alle Produktions-Ressourcen wie Mensch, Maschine und Material optimal planen, organisieren und steuern.

Wertung: Die Speziallösung punktet mit vielen Funktionen und Features, die integrierte Lösung konzentriert sich auf die wichtigen Branchenspezifika. Damit haben sich beide einen Punkt verdient und es steht 1:1.

Benutzerfreundlichkeit: Wie gut kommen meine Mitarbeiter mit der Software zurecht?

Jede Software ist nur so gut wie der Mensch, der sie benutzt – das ist eine Binsenweisheit. Aber eine, die man sich auch immer wieder vor Augen führen muss: Wer das meiste aus seiner IT herausholen will, muss seinen Mitarbeitern den Umgang mit ihr möglichst leicht machen. Bei der Benutzerfreundlichkeit sprechen zwei Punkte klar für die integrierte Lösung.

  1. Der höhere Funktionsumfang von Speziallösungen bedeutet automatisch eine höhere Komplexität in der Bedienung. Das führt zu Stress und Unsicherheit der Benutzer und erhöht so auch die Fehleranfälligkeit. Je geringer die Komplexität, desto besser kommen die Mitarbeiter damit zurecht.

  2. Wer auf eine Gesamtlösung setzt, bewegt sich auch bei der Produktionsplanung in ein und derselben Softwarewelt und -logik. Auch gibt es nur eine Bedieneroberfläche. Das erleichtert es den Mitarbeitern, sich mit der Software anzufreunden und den Umgang damit im täglich Ablauf zu optimieren.

Wertung: Diese Disziplin entscheidet die integrierte Lösung klar für sich. Sie geht zur Halbzeit mit 2:1 in Führung.

Integration: Wie gut spielt alles zusammen?

Machen wir uns nichts vor: Mit fortschreitender Digitalisierung wächst auch die Anzahl an Schnittstellen, die ein Unternehmen hat. Sollte man das Thema Integration also nicht zu hoch hängen? Im Gegenteil, denn Schnittstellen verursachen einen Wartungsaufwand, den man sich bei einem integrierten System spart. Diese schaffen meist auch eine einheitliche Datenbasis, von der die Speziallösung nur träumen kann. Denn selbst wenn alle relevanten Subsysteme nahtlos integriert werden und der Informationsfluss von und zu den unterschiedlichen Systemen gewährleistet ist: Hat ein Unternehmen viele Schnittstellen, bleibt die Echtzeitintegration meist eher Wunsch als Realität. Was in Bereichen wie Human Resources vernachlässigbar ist, kann bei der Produktionsplanung zu einem echten Problem werden. Zum Beispiel dann, wenn die Daten verschiedener Produktionsstandorte online verarbeitet und analysiert werden müssen. Dabei spielt die Integration eine ganz wichtige Rolle. Sie sorgt für eine höhere Aktualität der Daten und ermöglicht es damit, Planungsprobleme frühzeitig zu erkennen und einzugreifen. Und das gilt sicher auch noch für andere Use Cases als für die Produktionsplanung. 

Wertung: In der Schlüsseldisziplin Integration spielt die Gesamtlösung ihren größten Trumpf aus. 3:1.

Aufwand und Kosten: Was bezahle ich dafür?

Der Gesamtsieg ist ihr damit nicht mehr zu nehmen, aber überzeugt sie auch im Kostenkapitel? Um es kurz zu machen: Ja, und zwar recht deutlich. Denn die Kosten und der Aufwand für Einführung, Optimierung, Wartung und Betrieb liegen bei einer integrierten Lösung immer unter denen des Best of Breed Konzepts. Es ist weniger aufwendig, ein System zu warten als mehrere Systeme. Auch die Kosten für Mitarbeiterschulungen fallen geringer aus. Und: Jeder, der schon mal damit betraut war, kennt die Schwierigkeiten, aus den Modulen verschiedener Softwareanbieter ein funktionierendes Ganzes zu machen – und ständig zusammenzuhalten. Eine homogene IT-Landschaft ist eben doch mehr als die Summe ihrer Teile. Spätestens bei Updates und Releasewechseln dürfte das jedem IT-Leiter schlagartig bewusstwerden.  

Wertung: Auch bei den Kosten kann die Speziallösung nicht gewinnen. Endstand: 4:1 für das integrierte System.

Gesamtergebnis: Integration schlägt Spezialsoftware

Es ist ein deutliches Ergebnis, denn am Ende muss sich die Best of Breed Lösung klar dem integrierten System geschlagen geben. Zwar hat sie häufig Spezialanwendungen an Bord. Diese kann sie aber nicht gegen die Gesamtlösung ausspielen. Für diese spricht auch das in der Foodbranche entscheidende Killerkriterium Integration. Ein Vorteil, der sich auch im Zeitalter von Industrie 4.0 eher noch vergrößern wird. Wer will schon mehr Schnittstellen haben als nötig und dann auch noch auf Realtime-Daten verzichten? Die integrierte Variante punktet außerdem in der Regel bei der Benutzerfreundlichkeit. Und am Ende geht der Sieg auch wegen des Kostenkapitels an sie: das gewinnt nämlich die integrierte Lösung fast immer.

Eine Einschränkung gibt es aber fairerweise: In dem hier dargestellten Duell geht es ausschließlich um die Bedingungen in der Nahrungsmittelbranche. In der diskreten Fertigung oder bei Variantenfertigern dürfte das Ergebnis wohl nicht ganz so klar ausfallen.

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