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Digitalisierung von Molkereien: 5 Empfehlungen aus der Praxis

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Die Bedingungen der Milchwirtschaft sind komplex. Wer als Molkerei eine gute Erfolgschance haben will, kommt an der Digitalisierung nicht vorbei. Aber was bedeutet das Thema ganz konkret? Was muss man bei der Digitalisierung einer Molkerei beachten? 5 Empfehlungen für Entscheider.

Die globale Milchwirtschaft befindet sich in einem Spannungsfeld, das vor allem durch drei zentrale Einflussfaktoren geprägt ist:

  • Strenger werdende gesellschaftliche Anforderungen, beispielsweise in Bezug auf Umwelt, Nachhaltigkeit, Tierwohl und Gesundheit
  • ein großer nationaler und internationaler Wettbewerb, zunehmend auch durch Milchersatzprodukte und Milchimitate
  • eine hohe Nachfragekonzentration beim Lebensmitteleinzelhandel

Wer sich als Molkerei diesen Herausforderungen konsequent stellt, muss sich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigen. Denn durch einen effektiven Einsatz von Technologien ergeben sich neue Chancen zur Kostenreduktion, Beschleunigung und Automatisierung von Abläufen in der Produktion und zur Erschließung neuer, digitaler Absatzkanäle. Was Sie als Entscheider hierbei beachten sollten, haben wir Ihnen im Blog zusammengefasst.

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1. Digitalisierung einer Molkerei: Groß denken, klein anfangen und permanent weiterentwickeln

Jedes Digitalisierungsprojekt in der Milchbranche startet mit einem Konzept. Hierbei ist es wichtig, nicht nur die eigenen Prozesse der Milchverarbeitung ins Visier zu nehmen. Es gilt darüber hinaus, die heutigen und zukünftigen Kunden- und Konsumentenbedürfnisse zu berücksichtigen. In den ersten Überlegungen wird daher festgelegt, welcher Bereich überhaupt im Fokus der digitalen Optimierung stehen soll, beispielsweise

  • Landwirtschaft/ Milcherzeugung
  • Verarbeitung
  • Verpackung & Logistik
  • Handel/ New Business
  • Konsument

Sind hier die wichtigen Felder definiert, kristallisieren sich fast automatisch Ansätze heraus, den entsprechenden Bereich digitaler aufzustellen. Der beste Weg geht dabei nicht von einer hochkomplexen Digitalstrategie aus, sondern verläuft in vielen iterativen Schritten. Das Motto vieler Molkereien, für die das Thema Digitalisierung bereits erfolgreich im Alltag verankert ist, lautet: Klein anfangen und dann weiterentwickeln. Ein Beispiel: Bei der Rohmilchannahme werden die wichtigsten Daten heute schon erfasst und lassen sich auch digital weiterverarbeiten. In der weiteren Verarbeitung durch die Prozesse geht es darum, den Einsatz der wertbasieren Inhaltsstoffe Fett und Eiweiß und deren Einsatz und Verwendung in den Produkten digital weiter zu verfolgen, um eine spätere softwaregesteuerte Bilanzierung des Rohstoffeinsatzes zu ermöglichen.

2. Volle Digitalisierungspower auf die Milchverarbeitung 

Das größte Digitalisierungspotenzial - und die größte Notwendigkeit - bieten die Kernprozesse der wertschöpfenden Abteilungen in der Produktion. Denn in vielen Molkereien gibt es immer noch eine Vielzahl an technischen Lösungen, unterschiedlichsten Produktionsanlagen und Automationskonzepten mit teils noch analoger oder digitaler Mess- und Regeltechnik.

Zudem sind die Daten aus dem ERP-System oft weder in der Produktion noch in der Abfüllung verfügbar. Dies führt beispielsweise beim Mindesthaltbarkeitsdatum zu fehleranfälligen Handeingaben.

Die gute Nachricht: Jeder noch so kleine Digitalisierungsschritt kann hier bereits einen Quantensprung bedeuten. Durch eine sukzessive „Übernahme“ oder „zunehmende Implementierung“ der digitalen Kontrolle und Verfolgung der Produktion von der Herstellung der Halbfertigprodukte bis zur Abfüllung lassen sich die größten Potentiale heben.

Auch die Qualitätskontrolle, die Bilanzierung des Rohstoffeinsatzes oder die vorausschauende Wartung der Produktionsmaschinen sind Paradebeispiele für den Einsatz digitaler Lösungen. Wird die Messtechnik mit Auswertungssystemen gekoppelt, lassen sich beispielsweise die Separatoren besser kontrollieren und die Wartungsvorgänge können sicherer geplant werden.

Und ein Bereich, in dem sich Digitalisierungsprojekte sehr schnell rechnen, ist die Kommissionierung. Der Züger Frischkäse AG aus der Schweiz gelang es vor ein paar Jahren, durch eine Kombination aus Hochregallager und mobiler Datenerfassung 50 Prozent der Zeit beim „Picken“ einzusparen und gleichzeitig die Fehlerquote zu minimieren.

3. Das ERP-System zur Vernetzung der Molkerei nutzen 

Um das übergeordnete Ziel der Vernetzung aller Abteilungen, Prozesse und Akteure zu erreichen, bieten sich produktionsnahe ERP-Systeme an. Doch meiner Erfahrung nach werden heute in acht von zehn Molkereien die Daten nicht oder nur teilweise mit den Daten aus dem Warenwirtschaftssystem zusammengefügt. Hier liegt ein großes Potential, um mehr Transparenz in der Produktion zu schaffen.

Denn ERP-Systeme sind in der Lage, mit den eingesetzten Prozessleitsystemen in der Produktion die Daten auszutauschen. Sie werden damit zum zentralen Nervensystem in den Molkereien, da sie auch mit den verschiedenen Automationssystemen kommunizieren können.   

Dieses Verschmelzen der kaufmännischen und der technischen Systeme ermöglicht es, die Daten aus Absatz, Einkauf, Produktion, QM, Wartung/Instandhaltung und andere Daten aus Anlagensteuerungssystemen zu verknüpfen, auszuwerten und zu nutzen. Am Ende des Tages schafft dies die nötige Transparenz für die Unternehmensleitung. Rene Guhl, geschäftsführender Gesellschafter der Naabtaler Milchwerke: „Wir haben keine Zeit zu fragen, wo die Daten herkommen und wie sie aufbereitet wurden, deswegen haben wir unser ERP zusammen so entwickelt, dass es uns jederzeit Entscheidungsgrundlagen liefert. Es gibt keine Papierstöße oder Exceltabellen mehr, aus denen wir wie früher alles mühsam herausziehen müssten. Alle Management- entscheidungen, ob operativ oder strategisch, erfolgen anhand von live vorhandenen Ist-Daten.“

Dahinter steckt eine Strategie der hundertprozentigen Integration, die mehr als die bloße Produktion abdeckt. Naabtaler nutzt das ERP von A bis Z, von der Anlagenbuchhaltung bis zur Zeitwirtschaft und von der Laborintegration bis zur Instandhaltung.  

4. Digitalisierung ist Grundlage für die Rückverfolgbarkeit von Milchprodukten

Stellen Sie sich vor, es ist eine fehlerhafte Charge Ihres wichtigsten Joghurts in Verkehr gebracht worden – und Ihre Mitarbeiter müssen erst dicke Papierordner wälzen, um an die richtigen Informationen zu kommen. Problematisch oder? Wie viel einfacher wäre es, wenn Sie durch Ihr ERP-System auf Knopfdruck erfahren, aus welcher Rohmilch und weiteren Rohstoffen und wann der Joghurt hergestellt wurde?

Jeder Digitalisierungsschritt führt zu einer besseren Rückverfolgbarkeit von Milchprodukten – und die wird nicht nur immer mehr zu einem verkaufsfördernden Mehrwert, sondern zunehmend zu einer Voraussetzung, mit Abnehmern wie dem LEH, im Export und auch der weiterverarbeitenden Industrie überhaupt ins Geschäft zu kommen. Informationen müssen daher digital nutzbar gemacht werden und zwar durch eine konsequente Erfassung, Auswertung und Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichsten Unternehmensbereichen.

Um diese Zusammenführung der Daten zu ermöglichen, kommt erneut dem ERP-System die entscheidende Rolle zu: Es fügt die Daten vom Prozessleitsystem mit denen aus dem Einkauf und dem Labor zusammen und integriert zudem die Informationen von Messgeräten und Waagen. Aus diesem multidirektionalen Informationsfluss speisen sich am Ende die genauen und schellen Auswertungen, die im Falle eines Rückrufs nötig sind.

Aber auch im Tagesgeschäft können heute die wenigsten Molkereien auf Knopfdruck in Audits die Rückverfolgung darstellen. Der Aufwand ist in den meisten Fällen heute noch sehr personal- und zeitintensiv und bedeutet für das Qualitätsmanagement eine große Belastung. Wer hier auf eine digitale Unterstützung setzt, kann sich besser auf die Steuerung und Überwachung der Abläufe konzentrieren – das schafft auch zusätzlichen Spielraum für die Optimierung der gesamten Prozesse.

5. Digitalisierung ist People Business: Wichtige Fragen vorab klären

Roboter und KI kommen – nur nicht so bald. Bis dahin bleibt die Digitalisierung von Molkereien vor allem eins: Ein Projekt, das von Menschen unterschiedlicher Fachrichtung gemeinsam umgesetzt wird.

Das bietet Ihnen die Chance, wichtige Dinge im Vorfeld zu besprechen und klar zu definieren. Beispielsweise in Bezug auf die technischen Möglichkeiten, die es für Ihr Vorhaben gibt. Hier hilft nur ein gemeinsames Commitment aller Beteiligten, damit am Ende die Aufgabenstellungen für das Projekt gelöst werden können. Klingt selbstverständlich, in der Praxis sorgt aber genau dieser Punkt häufig für Diskussionsstoff. Ein Beispiel: Erlaubt die vorhandene Technik keine automatische Datenverarbeitung, gilt es, gemeinsam eine andere Lösung als „Brücke“ zu finden. Ein Laborgerät, das keine Daten an das ERP-System senden kann, ist noch lange kein Showstopper. Dann werden die Berichte eben mit einem Etikett der jeweiligen Produktionscharge versehen, eingescannt und die Daten/Informationen der jeweiligen Produktion im QM-System zugeordnet.

Nicht zu vergessen die eigenen Mitarbeiter: Auch sie müssen von Beginn mit einbezogen und überzeugt werden. Denn ein Blick in die Molkereipraxis zeigt, dass viele Mitarbeiter seit Jahren mit eigenen Lösungen wie beispielsweise Excel arbeiten. Die Vorteile eines neuen Systems zu erkennen, fällt ihnen oft schwer. „Digitalisierung wird am Anfang von vielen Mitarbeitern als Rückschritt empfunden“, berichtete neulich ein Geschäftsführer von seinen Erfahrungen. Schließlich verliert der Einzelnen ja einen Teil der Routine, der Aufgaben und der Werkzeuge. Was dann hilft? Ein Management, das die Digitalisierung jeden Tag aufs Neue vorlebt. Denn wer könnte Ihr Unternehmen besser auf die digitale Zukunft vorbereiten als die Person an der Spitze?