Digitalisierung


Audits in der Lebensmittelindustrie: Was bringt ein Zertifizierungsmanagement?

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Gesundheit und Umwelt lassen sich nicht mehr trennen: heute wird Gesundheit holistisch gesehen und mit Umweltfaktoren verknüpft. Gesunde Ernährung spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Für die Lebensmittelbranche bringt dies Herausforderungen mit sich, denn damit rücken auch Zertifizierungen in den Vordergrund, deren Management aufwändig und teuer sein kann.

Welche Einsparpotenziale ergeben sich durch die Digitalisierung des Zertifizierungsmanagements? Eine Frage, die mir als Vertriebsberater eines ERP-Anbieters für den Food-Bereich immer häufiger gestellt wird und die ich in meiner Bachelorarbeit beantworten wollte. Am Beispiel IFS habe ich die Digitalisierungsfähigkeit von Audits in der deutschen Lebensmittelindustrie untersucht und unter anderem zwei Experten eines der führenden deutschen Fleischverarbeitungsunternehmen befragt. Ihre persönlichen Erfahrungsberichte im Bereich der Zertifizierung und die geschilderten Probleme im Zertifizierungsprozess sind in die Anforderungskriterien an ein digitales Tool zur Bewältigung des Audit-Dschungels eingeflossen, das sich ohne weiteres auch auf den internationalen Markt übertragen lässt.

Immer mehr Audits in der Lebensmittelbranche 

Wenn Unternehmen der Lebensmittelbranche ihre Prozesse gestalten, müssen sie dabei Anforderungen unterschiedlicher Zertifizierungen berücksichtigen. Nur über Zertifizierungen können sie im Einzelhandel Fuß fassen und für den Verbraucher einen gesicherten Herstellungs- sowie Verarbeitungsprozess dokumentieren. Dabei müssen Sie vielfältige Audits berücksichtigen: Zertifikate wie IFS Food dienen vorrangig der Qualitätssicherung und der Lebensmittelsicherheit. Verfahren wie das HACCP-Konzept identifizieren und analysieren Gefahrenpotenziale und kritische Kontrollpunkte im Prozessmanagement.

Die zunehmende Anzahl von Audits und Zertifizierungen stellt für kleine und regionale Lebensmittelunternehmen in Deutschland eine organisatorische Herausforderung mit hohem Aufwand an Kosten, Dokumentation und Personal dar. Die Variation und Vielfalt neuer Anforderungen erschweren die Integration von Neuerungen in die bestehenden Prozessabläufe. Dazu kommt, dass die Anforderungen regelmäßig verändert werden und erfasste Informationen systemübergreifend zur Erfüllung von Bewertungskriterien gebündelt werden müssen.

Um den Anforderungen gerecht werden zu können, greifen Unternehmen vermehrt auf Informationsmanagementsysteme zurück: Sie erleichtern wiederkehrende Tätigkeiten im Vorfeld eines Audits und ermöglichen eine strukturierte Darstellung relevanter Informationen. Softwareanbieter bringen auch immer mehr Zertifizierungsmanagementsysteme auf den Markt.

Grundlagen eines Audits

Datenvolumen und -qualität spielen eine entscheidende Rolle, wenn man von einem digitalen Zertifizierungsmanagement-Tool profitieren will. Für Zertifizierungen braucht man Informationen zu folgenden Bereichen:

  • Prozesse (z.B. Nachweise über Informationsflüsse, Abläufe, etc.)
  • Kennzahlen (z.B. Kennzahlen aus einem ERP-System oder freie Kennzahlen)
  • Dokumente (z.B. Dateien und multimediale Inhalte)
  • Verantwortlichkeiten (z.B. Organigramm)
  • Fortlaufende Verbesserungsprozesse (z.B. Projekte und Maßnahmen)

Die Suche und Aufbereitung auditrelevanter Informationen sind die Zeit- und Kostenfresser – das bestätigen von mir befragte Experten, aber ich habe es auch selbst so erlebt. Die Erfassung der Daten erfolgt in der Praxis häufig dezentral in vielen unterschiedlichen analogen und digitalen Systemen. Dazu kommt ein Trend bei der Auditvorbereitung: Die Aufgabe der Datenaufbereitung und Auditvorbereitung ist nicht mehr zeitlich punktuell, sie ist zur kontinuierlichen Arbeit geworden. Grund dafür sind die immer kürzeren Zeitintervalle zwischen einzelnen Audits und die zunehmende Anzahl unangekündigter Audits. Ein ungeheurer Aufwand!

Das Gute daran ist, dass sich vielerlei Einsparpotenziale ergeben durch den zentralisierten Abruf von Informationen, der erst durch Integration, Anbindung oder Erweiterung der digitalen Datenerfassung möglich wird. Ein ERP-System unterstützt im Zertifizierungsprozess, die Pflege des Systems kann aber nur von Menschen hinter dem System ausgeführt werden. Dieser Aufwand zahlt sich später aus, denn die Effizienz steigt, wenn die Dokumentation im Unternehmensalltag einfacher wird.

Die Zertifizierungswelt von Morgen

Wie lässt sich aber das Zertifizierungsmanagement über die Zentralisierung von Informationen hinaus digitalisieren?

Mein Ansatz: Das Fundament bildet ein zertifikatsübergreifender deskriptiver Einzelanforderungskatalog, der über eine Indizierung auf die jeweiligen Zertifikate verweist. In der Tiefe werden die jeweiligen quantitativen bzw. qualitativen Prüfkriterien und zugehörige Einzelanforderungen miteinander verknüpft. Dies geschieht über ein zertifikatsübergreifendes quantitatives Kennzahlensystem mit zugehörigen Einzelvariablen. Danach überprüft man, ob die wertschöpfenden und wertschöpfungsunterstützenden Prozesse aller existierenden Softwaresysteme und Anlagen in einem Informationsmanagementsystem berücksichtigt wurden und ergänzt einen Verweis auf die ursprüngliche Datenquelle. Man könnte etwa eine Blockchain als Plattform für Zertifikate nutzen und dort alle Daten zentral speichern. Die Daten können von dort aus nicht nur für interne Zugriffe zur Verfügung gestellt werden, sondern je nach Bedarf und selektiv auch extern (z.B. für Endkonsumenten) bereitgestellt werden. Dies schafft die vom Markt geforderte Transparenz gegenüber dem Endverbraucher.

Ob ein solches Vorgehen mit allen daraus resultierenden Chancen und Risiken lohnt, muss jedes Unternehmen für sich abwägen. Es ist aber zumindest Wert, über eine entsprechende Sammlung und Aufbereitung von Daten nachzudenken.