Nach einem Jahr Pandemie sehen wir endlich ein wenig Licht am Ende des Tunnels: die Inzidenz sinkt, in meiner Heimatstadt haben wir eine Immunisierung von 20% erreicht, und die Verfügbarkeit von Impfstoffen steigt. Immer mehr Menschen um mich herum, darunter auch mein 19-jähriger Sohn, können sich impfen lassen. Und doch hat sich einiges verändert – auch in der Art und Weise, wie wir essen oder wie wir unsere Mahlzeiten zubereiten. Welche Folgen das auf die Digitalisierung der Büros bei den Lebensmittelbetrieben hatte, lesen Sie in diesem Blog.
Die Lebensmittelbranche gilt als besonders krisenresilient und auch diesmal haben sich die Unternehmen schnell an die neue Situation angepasst: Um die Endverbraucher zu erreichen, wurden Restaurants zu Geisterküchen umfunktioniert. Die Gerichte werden nicht mehr an den Tisch gebracht, sondern zum Mitnehmen zubereitet oder dem Lieferservice mitgegeben. E-Food boomt nach wie vor und viele Geschäfte haben Parkplätze angelegt oder erweitert, um die Abholung im Laden zu ermöglichen.
Diese Veränderungen wurden weitestgehend im Hintergrund vorbereitet, denn viele Arbeitnehmer waren und sind im Homeoffice, während andere weiterhin in den Büros arbeiteten. Warum ich das alles schreibe? Weil die Informationstechnologie in dieser Situation den Betrieb auch remote am Laufen halten muss. Und die Unternehmen haben entsprechend investiert, um die Büroabläufe zu digitalisieren. Hier die Top 5 Investitionen:
1. Electronic Data Interchange
EDI gibt es schon seit Jahrzehnten, ist also nicht wirklich neu. Bedingt durch Covid-19 haben jedoch zahlreiche Unternehmen ihre Vorgehensweise diesbezüglich neu gedacht. Für den Datenaustausch mit Buchhaltungsprogrammen verwendeten die Unternehmen oftmals Webportale mit manuellen Eingaben - um die Kontrolle sicherzustellen, so die Begründung. Gute EDI-Lösungen sind heute in der Lage zu prüfen, ob die Preise und Lieferdaten korrekt sind, ob ein Produkt zur Auslieferung verfügbar ist, und ob die Bestellung dem normalen Bestellverhalten eines Kunden entspricht. Auch in der Integration von externen Logistikdienstleistern (vor allem Kühllager) oder öffentlich zugänglichen Datenquellen für die automatische Preisermittlung, wie das Bluesheet der amerikanischen Landwirtschaftsbehörde, hat sich EDI mehr und mehr durchgesetzt. Nicht selten können über derartige Projekte ganze Stellen ersetzt werden.
2. Dokumentenverwaltung
Auch Lösungen für das Verwalten von Dokumenten sind seit Jahrzehnten verfügbar - wobei das Speichern immer billiger und die Scannersoftware immer smarter wurde. Mit einfachen Archivierungssystemen lässt sich laut Aussagen der IDC die Produktivität und Effizienz von Bürofachkräften um etwa 15% erhöhen. Jüngst wurden diese Lösungen sogar noch erweitert:
- Dokumente zur Bearbeitung von Bestellanforderungen, Reiseanträgen, Pflege von Produktspezifikationen, Qualitätsnachweisen und anderen Vorgängen werden über ein Dokumentenlenkungssystem durch die Organisation geleitet – egal, an welchem Arbeitsort sich die Mitarbeiter befinden, und sogar per E-Mail oder über einen Webzugang.
- KI-Lösungen können sich Dokumente "ansehen" und sich wiederholende Aufgaben, wie die Erkennung von Rechnungen und deren Inhalt sowie die Ermittlung der Metadaten, durchführen. Ein Vorgang, für den bisher immer ein Mensch erforderlich war.
- In Programmen für die Vertragsverwaltung wird dieser Ansatz von den Transaktionsprozessen in Kontrakte mit längerer Laufzeit übernommen, zum Beispiel für Immobilienmietverträge oder Mobilfunkverträge.
3. Integration von Banken
Bei den Bankstandards gibt es weltweit nach wie vor große Unterschiede. In der Europäischen Union wurden Geschäftsvorgänge zwischen den Ländern schon vor Jahren vereinheitlicht und standardisiert. In Nordamerika hingegen gibt es vielerlei Standards, die lokal entstanden sind, wie zum Beispiel das allgegenwärtige ACH-Netzwerk für Zahlungen. Weitere Systeme wie "Positive Pay" sind weniger standardisiert und variieren von Bank zu Bank. Doch die Dinge ändern sich. MT-940 ist ein globaler Bankstandard in Nordamerika, über den der Import von Kontoauszügen sowie die elektronische Verarbeitung von Debitoren und Kontenabstimmungen ermöglicht wird – auch dies eine sich stets wiederholende Aufgabe im digitalisierten Büro. Die Tatsache, dass Bankgeschäfte zunehmend von den herkömmlichen Schecks übergehen zu elektronischen Zahlungsformen, beschleunigt die Anpassung dieser Technologien noch.
4. Ausgaben verwalten
Die oben genannten Dokumentenprozesse wurden von Kunden erweitert, um eine Vorabgenehmigung von Ausgaben (üblicherweise Bestellanforderungen vor der eigentlichen Entstehung des Aufwandes) oder Rechnungen ohne Bestellauftrag zu ermöglichen. Die Kontraktverwaltung wird um Bereiche ergänzt, in denen regelmäßige Aufwendungen entstehen, wie zum Beispiel für Gebäudemieten, Hypothekenzahlungen, Mobilfunkrechnungen, Kfz-Leasing, oder die Amarark-Abrechnung. Manche Unternehmen nutzen Kreditkarten für einige Ausgaben und integrieren die Abrechnungen direkt in ihrer Kostenverwaltung - und automatisieren somit auch die Aufgaben im Rechnungswesen.
5. Laufende Inventur in der Buchhaltung
In anderen Branchen gibt es dies bereits und ist heute Standard in integrierten Systemen. Die Komplexität der Prozesse in der Lebensmittelbranche, mit ihren zahlreichen Produktumwandlungen und Tätigkeiten, die zumindest teilweise manuelle Inventurvorgänge mittels Scannen und Barcodeerfassung erfordern, hatte nicht gerade dazu beigetragen, das Vertrauen der Buchhalter zu gewinnen. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert: in den meisten Fällen kam es bei der eigentlichen physischen Inventurzählung zu Fehlern, doch der Bestand stimmte tatsächlich. Statt einmal in der Abrechnungsperiode manuelle Inventurberichtigungen vorzunehmen, führen die Kunden nun tägliche Lagerbewegungsbuchungen durch. Mit etwas kreativer Mathematik bei den Wochen- bzw. Monatsausgaben basierend auf Budgets sowie ausgefeilten Formeln in modernen Business-Intelligence-Tools können Finanzleiter und andere mit den Finanzen betraute Positionen der Geschäftsleitung Finanzberichte bereits in der laufenden Buchhaltungsperiode zur Verfügung stellen, wodurch die Notwendigkeit und der Wunsch, den Abschluss schnell durchzuführen, nahezu obsolet werden. Diese täglichen Gewinn- und Verlustrechnungen sind so nah am Endergebnis, dass es sich gar nicht lohnt, zu warten - wenn man nicht gerade das Finanzamt oder ein Wirtschaftsprüfer ist.
In dreißig Jahren ist viel passiert
Vor dreißig Jahren begann ich mit der Automatisierung von Lebensmittelunternehmen mittels Computer, Software und Business-Consulting. Einer der am weitesten fortgeschrittenen Kunden in Deutschland war damals ein Fleischbetrieb in der Nähe unserer Firmenzentrale, mit etwa 300 Mitarbeitern, wovon gerade mal 15 einen Büroarbeitsplatz hatten. Insgesamt hat sich diese Zahl bis heute kaum verändert, doch von jenen 15 Mitarbeitern hat sich der Anteil derer mit IT-Aufgaben vergrößert. Repetitive Aufgaben in der Buchhaltung wurden automatisiert, so dass es nun nur noch einen Buchhalter gibt – der aber auch andere Aufgaben übernimmt, denn der Umfang der eigentlichen Büroarbeiten hat aufgrund von Vorschriften wie Herkunftskennzeichnung und immer strengeren Lebensmittelsicherheitsvorgaben enorm zugenommen. Viele Büros bleiben dunkel. Nicht nur, weil die Menschen von zu Hause arbeiten, sondern auch, weil sie zu Hause bleiben - ohne Arbeit.